Lean Management

Just-in-Time oder: Wie sicher ist Ihre Versorgung?

Ist Ihre Lieferfähigkeit sichergestellt? Haben Sie ausreichend Produktions- und Instandhaltungsmaterial, sowie Maschinenkapazität verfügbar?

Hintergrund:

Am 24. März wurde eine Blockade des Suez-Kanals gemeldet. Ein 400-Meter-Schiff mit 18.000 Containern hatte den Kanal beidseitig bis 29. März blockiert. Der dadurch aufgetretene Stau von 350 Schiffen löste sich erst am 03.04. auf. Betroffen sind unzählige Lieferketten, die Gefahr laufen, zu brechen.

Bedingt durch die weltweite Pandemie kommt es zu Versorgungsengpässen bei diversen Roh-, Halb- und Fertigprodukten. Dies führt zu Produktionsstillständen auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfung.

Analyse:

In beiden Beispielen sind unvorhergesehene Situationen eingetreten: weder die mehrere Tage dauernde Störung des Suez-Kanals, noch die Covid-bedingten personal- und materialbedingten Störungen in den Werkenwaren geplant.

Auf den ersten Blick hat dies gravierende Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. Betrachten wir die gesamte Supply-Chain, sieht es schon etwas komplexer aus:

Der Zulieferer A bekommt von seinem Vorlieferanten keine Komponenten für Produkt P1. Kurzfristig müssen Alternativkomponenten auf Verwendungsfähigkeit und Verfügbarkeit geprüft werden. Gleichzeitig fragt der Einkauf bei diversen anderen Lieferanten die ursprünglichen und die alternativen Komponenten am Markt an. Weil dies viele Einkäufer machen, erscheint ein unrealistischer Gesamtbedarf. Ein Peitschen- oder Bullwhip-Effekt entsteht. Fertigungsaufträge werden umgeplant und die Personaleinsatzplanung ist hinfällig.

Kunde B wird von Zulieferer A über die Lieferschwierigkeiten informiert. B macht Druck auf A, die Liefermengen einzuhalten. Parallel will Kunde B den bevorstehenden Produktionstillstand zur vorgezogenen Wartung der Maschinen und Anlagen nutzen. Da aus der Instandhaltung die Information kommt, die benötigten Ersatzteile hängen gerade auf dem Suez-Kanal fest, geht Kunde B in Kurzarbeit und storniert zunächst alle Lieferabrufe bei Zulieferer A. Somit kann A auch die herstellbaren Produkte weder ausliefern noch abrechnen. Zu dem Produktions- und Planungsproblem gesellt sich nun noch ein finanzielles.

Zu extrem? Vielleicht, oder auch nicht.

Zielbild:

Einhaltung der vereinbarten Planungssicherheit. Definierte Bedarfsschwankungen werden abgefangen. Durchgängiger Informationsfluss entlang der Versorgungskette auf Basis der Primärbedarfe.

Sicherstellen der Produktionsversorgung: benötigtes Material in der erforderlichen Menge und Qualität zum Zeitpunkt des Verbrauchs am richtigen Ort. Eine 100%ige Versorgung erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette vom Rohmaterial bis hin zum Endverbraucher.

Absicherung definierter Risiken.

Alternativen:

Flexibilität

  • Querqualifikation der Mitarbeitenden für alternative Einsätze erleichtern eine dynamische Antwort auf unvorhergesehene Störungen
  • Verwendung möglichst universell einsetzbarer Betriebsmittel
  • Durch Multisourcing reduziert sich die Gefahr von Versorgungsengpässen bei Ausfall eines Lieferanten
  • Standardisierung

Bestandsaufbau

  • Der vorgehaltene Bestand muss die Wiederbeschaffungszeit abdecken! Dies gilt für wenige Minuten bei hochstandardisierter JIT/JIS-Fertigung genauso, wie für mehrere Monate bei Maschinen- und Anlagenprojekten.
  • Den Bestand so niedrig wie nötig zu halten, bedeutet die Versorgung stets aufrecht zu erhalten.
  • Die hier einfließenden Faktoren sollten kontinuierlich verbessert werden.

Local Sourcing

  • Mit einer lokalen Beschaffungsstrategie lassen sich in der Regel nicht nur die Wiederbeschaffungszeiten verkürze, sondern auch die Schnelligkeit und Flexibilität bei Änderungen an Produkt und Prozess erhöhen.
  • Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei Lieferanten in Reichweite ein Problemlösungsprozess deutlich schneller und effizienter ablaufen kann.

Insourcing

  • Bei dieser Variante entfallen die Lieferanten- und Transportrisiken. Besonders interessant, wenn es sich um sensible Technologien handelt. Wichtig hierbei ist, dass ausreichendes Know-How im eigenen Hause verfügbar ist.

Fazit:

Die grundlegende Erkenntnis kann wie folgt definiert werden:

Zunächst empfehle ich eine Risikoanalyse für den entsprechenden Bereich.

Auch wenn es in der letzten Zeit viele Versorgungs- und Lieferprobleme gegeben hat, spielt bei einer strategischen Festlegung immer auch die Eintrittswahrscheinlichkeit und der Effekt eine große Rolle.

Die hier von mir aufgeführten alternativen Lösungsansätze weisen neben den beschriebenen Vorteilen naturgemäß auch Nachteile auf, die entsprechend der jeweiligen Situation betrachtet und abgewogen werden müssen.

In jedem Falle sollten alle Beteiligten die Nerven bewahren und faktengestützte Entscheidungen treffen.

Ist Ihre Lieferfähigkeit sichergestellt? Ich lade Sie ein, diesen Artikel auf Ihre konkrete Situation im Unternehmen zu übertragen. Eventuell finden Sie sich wieder, vielleicht dient es auch als Beitrag für eigene Lösungsansätze.

Über einen Austausch Ihrer Erfahrungen mit diesem Thema und Ihre eventuellen Lösungsansätze würde ich mich sehr freuen.

Schöne Feiertage und beste Grüße

Andreas Kückelmann

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